Das neue Präsidialdepartement wird immer wieder als Konstrukt ohne wirklichen Einfluss bezeichnet. Wie wollen Sie diesen Eindruck korrigieren?

Elisabeth
Ackermann

Ich werde als Regierungspräsidentin mit dem Gesamtregierungsrat die strategische Planung straffen, im Legislaturplan die wichtigsten Ziele für den Kanton festlegen und dann konsequent an der Umsetzung arbeiten. Zudem gehören strategisch wichtige Dossiers, wie die Stadt- und Kantonsentwicklung, die Kultur und das Standortmarketing, zum Departement. Das Präsidialdepartement sollte weiter gestärkt werden, indem zusätzliche, departementsübergreifende Aufgaben dazugenommen werden.

Martina
Bernasconi

Die Regierungspräsidentin ist erste Aussenministerin. Sie pflegt und intensiviert die Kontakte mit den Nachbarkantonen, mit dem Bund, mit unseren französischen und deutschen Nachbarn. Den Kanton Basel-Stadt als Ganzes zu repräsentieren, ist eine Kernaufgabe des Regierungspräsidiums. Hier liegt eindeutig Steigerungspotenzial. Die Beziehungen zu unserem Bruderkanton Basel-Landschaft – die mir als ehemaliger Baselbieterin extrem am Herzen liegen – können mit einer starken, auftrittssicheren Präsidentin gewinnen.

Baschi
Dürr

Die neue Regierungspräsidentin oder der neue Regierungspräsident benötigt ausgeprägte Führungs- und Regierungserfahrung. Das Volk als Verfassungsgeber hat diese Funktion geschaffen, damit der Kanton ein Gesicht erhält und strategischer geführt wird. Zentral dabei ist das Zusammenspiel mit den weiteren Mitgliedern des Regierungsrats: Das Präsidialdepartement muss den anderen Departementen einen Mehrwert bieten. Das gelingt nur, wenn die heutigen Strukturen und Prozesse daraufhin überprüft und angepasst werden.

Christian
Mueller

Das Präsidialdepartement sehe ich als Ideengeber für die Zukunft des Kantons. Kunst denkt über Kultur nach und Kultur ist im weiteren Sinne das Wie die Menschen miteinander in Beziehung treten. Kulturförderung soll also relevante Beiträge zum Kunst- und Kultur-Diskurs unterstützen, die kommerziell (noch) nicht funktionieren müssen. Gerade auch zur Stadtentwicklung sehe ich Parallelen: Auch da geht es um das Zusammenleben und wie wir es in Zukunft organisieren möchten.

Wichtigster konkreter Geschäftsbereich ist die Kulturförderung. Wie aktiv soll und darf staatliche Kulturpolitik das kulturelle Leben in der Stadt beeinflussen?

Elisabeth
Ackermann

Es ist wichtig, dass der Staat neben den privaten Geldgebern als Vertreter der Öffentlichkeit die Kultur unterstützt und fördert. Dabei soll er Rahmenbedingungen für das Gedeihen der Kultur schaffen, nicht aber in konkrete Projekte hineinreden oder über die Finanzierung die Inhalte beeinflussen. Für das Entstehen von Kultur sind Freiheiten für die Künstlerinnen und Künstler essentiell. Mir ist es wichtig, die Mittel für die Kultur zu sichern, aber immer wieder genau zu prüfen, wo sie eingesetzt werden.

Martina
Bernasconi

Der Staat sorgt für die Rahmenbedingungen. Public-Privat-Partnership und Sponsoring sollen vermehrt zum Zuge kommen.

Baschi
Dürr

Der Staat beeinflusst als grösster Geldgeber das hiesige Kulturleben sowieso. Kulturförderung ist immer normativ. Dabei gilt es, Sinn und Zweck der Subvention zu definieren. Letztlich kann öffentliche Kulturunterstützung nicht hors-sol funktionieren, sondern muss sich in den Dienst der Gesellschaft stellen. Ich würde mir manchmal wünschen, dass aktuelle Themen wie etwa Migration und Integration, Sicherheit und Angst oder Schweiz und Europa von der Kultur schneller – oder überhaupt! – aufgegriffen würden.

Christian
Mueller

In der staatlichen Kulturförderung vermisse ich oft eine gewisse Relevanz für den zeitgenössischen Kunst-Diskurs. Im Zweifel wird eher zu viel und zu Harmloses gefördert, statt manchmal konsequenterweise einen Wettbewerb ohne Sieger und Preisgeld abzuschliessen. Prinzipiell soll der Staat da fördern, wo Qualität vor Kommerz kommt. Kommerzielle Veranstaltungen sollten hingegen möglichst zurückhaltend gefördert werden und ein allfälliger Überschuss zurückbezahlt werden.

Wo gibt es Lücken im Basler Kulturleben, die mit staatlicher Hilfe geschlossen werden können und sollen? Gibt es allenfalls ein Überangebot, wo man zur Umverteilung ansetzen könnte?

Elisabeth
Ackermann

Sehr wichtig ist für mich das Kulturzentrum Kaserne. Leider haben die Bürgerlichen die Kaserne zum Wahlkampfobjekt gemacht und ergreifen das Referendum dagegen. Sonst ist das Kulturleben in Basel bereits sehr vielfältig. Der Staat muss aber auch Freiräume ermöglichen, also immer wieder Brachflächen eine Zeit lang Kulturschaffenden überlassen, damit Neues entstehen kann. Natürlich kann man immer über Umverteilungen nachdenken, aber ich möchte es nur mit klaren Akzenten im Rahmen einer Strategie tun.

Martina
Bernasconi

Der Kanton Basel-Stadt erkennt die wirtschaftliche Dimension der Kultur, den Standortvorteil. Eine weltweite kulturelle Ausstrahlung, die Basel z.B. durch das Kunstmuseum oder die mannigfaltigen Orchester erfährt, hat ihren Preis. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass der Staat sein Geld nach dem Giesskannenprinzip verteilt. Ein Überangebot gibt es im Bereich der klassischen Musik, weil mit der Musikhochschule viele junge Musiker/innen mit Weltniveau nach Basel kommen. Konkurrenz belebt. Es ist aber nicht am Staat, alles finanziell zu unterstützen.

Baschi
Dürr

Für radikale Änderungen müsste eine eigentliche Malaise in der Basler Kultur bestehen. Eine solche sehe ich glücklicherweise nicht. Wir haben ein grosses Angebot in den verschiedensten Sparten für ein ganz unterschiedliches Publikum. Wir sollten vielmehr aufpassen, für Basel nicht ein «lückenloses Vollangebot» in der Kultur anzustreben und alles, was es in Zürich oder Bern oder den Metropolen der Welt gibt, auch auf unseren 40 Quadratkilometern ansiedeln zu wollen.

Christian
Mueller

Wäre die lokale Filmförderung gleich finanziell ausgestattet wie die Oper, kämen jährlich mehrere Basler Filme auf die Leinwand. Sie hätten die Chance, nicht nur uns Baslerinnen und Basler zu bereichern, sondern könnten Geschichten aus Basel ohne grossen Mehraufwand in die ganze Welt tragen. Das veraltete Dreisparten-Modell des «Stadt-Theaters» würde ich zu einem multimedialen «Haus der darstellenden Künste» umbauen. Das Gleiche gilt bei der Förderung klassischer Musikensembles.

Ein wichtiges Dossier ist der gefährdete Kulturvertrag mit dem Kanton Baselland. Was werden Sie unternehmen, dass den 16 involvierten Zentrums-Institutionen nicht das Wasser abgegraben wird?

Elisabeth
Ackermann

Basel ist das Zentrum einer Kulturregion, wir müssen die Kulturpartnerschaft ausbauen: Ich strebe eine vielfältige und lebendige Kulturregion an. Dazu gehört nicht nur Baselland und die Nordwestschweiz, sondern auch das elsässische und badische Einzugsgebiet. Bei der Sicherung der Mittel ist natürlich die Zusammenarbeit mit Baselland zentral. Ziel könnte ein interkantonaler Vertrag über die Kulturabgeltung sein, wie ihn etwa St. Gallen mit dem Thurgau und dem Appenzell abgeschlossen hat.

Martina
Bernasconi

Eine der Hauptaufgaben der Regierungspräsidentin ist die Beziehung zum Bruderkanton zu pflegen. Wir sind eine Region. Von einer ausstrahlungsstarken Universität, von ausstrahlungsstarken Kulturinstitutionen profitieren alle. Baselland ist für Basel-Stadt eine unverzichtbarer Partner.

Baschi
Dürr

Wir dürfen vor allem zwei Dinge nicht tun: Erstens mit einem überheblichen «Basel machts besser» den Nachbarkanton vor den Kopf stossen, und zweitens überall zu verstehen geben, dass der Stadtkanton sowieso einspringt. Vielmehr haben sich die beiden Basel als gleichberechtigte und gleichgeforderte Partner gemeinsam auf das regionale Kulturangebot zu verständigen. Dass Basel-Landschaft derzeit seinen Anteil der Nutzung nicht ansatzweise trägt, steht objektiv genauso ausser Zweifel wie die systemischen Mängel des heutigen Kulturvertrags.

Christian
Mueller

Einen gerechten Schlüssel zur Beteiligung ist mit den umliegenden Kantonen und Ländern auszuhandeln. Wer sich an der Kultur Basels beteiligt, darf dann auch mitentscheiden, in welche Institutionen wie viel Geld fliesst. Ob das nun mehr sein wird oder weniger als jetzt und wer wie viel erhält, wird in zähen Verhandlungen auszudiskutieren sein. Basel entscheidet danach selbstständig und auf eigene Rechnung, welche weitere Institutionen unterstützt werden sollen.

Wie definieren Sie die Aufgaben der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung?

Elisabeth
Ackermann

Sie befasst sich mit der Gesamtentwicklung des Kantons Basel-Stadt. Es geht darum, wo und wie im Kanton künftig gewohnt, gearbeitet, gelebt wird. Das ist gerade heute an der Schwelle völlig neuer Entwicklungen in der Arbeitswelt wichtig. Die vierte industrielle Revolution wird einen weiteren Digitalisierungsschub bringen und die Arbeitswelt auch im Dienstleistungsbereich verändern. Umso wichtiger ist es, sich über die Gestaltung unseres Kantons Gedanken zu machen, bevor konkrete Bauprojekte vorliegen.

Martina
Bernasconi

Integration, Stadtentwicklung, Quartierarbeit sind für das Zusammenleben in einer urbanen Gegend zentral. Die Kantons- und Stadtentwicklung arbeitet interdepartemental: Mit dem Bau- und Verkehrsdepartement, dem Wirtschafts- und Sozialdepartement, dem Erziehungsdepartement etc. zusammen. Diese Zusammenarbeit wird mit mir als Stadtpräsidentin intensiviert.

Baschi
Dürr

Die Kantons- und Stadtentwicklung als Strategieabteilung des Präsidialdepartements soll nicht primär originelle Ideen liefern, sondern die Grundlagen der strategischen Führung legen. Auf der mittelfristigen Ebene gibt es deutlich Luft nach oben: Fünf bis zehn für den Kanton wichtige, konkrete und messbare Ziele, auf die sich der Regierungsrat pro- und nicht allein reaktiv zusammenrauft. Und an denen er sich als Kollegium messen lässt.

Christian
Mueller

Die Kantons- und Stadtentwicklung soll Menschen unterstützen, die auf frei gewordenen Arealen eigene Ideen realisieren und in waghalsige Projekte investieren möchten. Wichtig scheint mir dabei, auch Ungewöhnliches und Unangenehmes zu erlauben, ohne bereits auf eine kommerzielle Nachnutzung zu schielen: weniger staatlich verordnete Freiräume, dafür öffentlich ausgeschriebene Teilnahmemöglichkeiten.

Als Regierungspräsident/-präsidentin sind Sie auch Aussenminister/in von Basel. Was ist zu tun, dass Basel unter anderem im Nachbarkanton und beim Bund besser wahrgenommen wird?

Elisabeth
Ackermann

Für eine bessere Vertretung in Bern schlage ich vor, dass sich die Stadt Basel ausser mit den Nachbarn und über die bisher genutzten Kanäle auch mit den fünf anderen grossen Schweizer Städten enger zusammenschliesst und für die städtischen Anliegen kämpft. Die ländlichen Regionen haben in der Schweizer Politik ein Übergewicht. Zusammen mit Zürich, Genf, Bern, Lausanne, und Winterthur, den anderen Städten mit mehr als 100'000 Einwohnern, kann Basel beim Bund mehr erreichen.

Martina
Bernasconi

Das Amt der Aussenministerin ist meines Erachtens die wichtigste Aufgabe der Regierungspräsidentin. Basel ein starkes Gesicht und viel Gewicht zu geben ist mein Ziel.

Baschi
Dürr

Die Weiterentwicklung von Basel-Stadt bedingt die enge Kooperation mit dem ganzen Umland. Wenn wir gehört werden wollen, dann braucht es in der Region kein Powerplay des aktuell Stärkeren, sondern vielmehr ein echtes gegenseitiges Vertrauensverhältnis. Erst auf Basis dessen kann das Standortmarketing erfolgreich wirken und die Regierungspräsidentin oder der Regierungspräsident den Kanton «verkaufen». Auf jeden Fall ist die kantonale «Aussenpolitik» auf konkrete Interessen von Basel-Stadt zu konzentrieren und nicht weltweit zu verzetteln.

Christian
Mueller

Basel soll keinen nationalen Finanzausgleich mehr bezahlen. Wir finanzieren Kantone, die damit nicht nur ihre Steuern senken, sondern bei vielen Abstimmungen auch noch gegen unsere Interessen stimmen. Diese Kantone sägen nicht nur am Ast, sondern am Baumstamm, auf dem sie und wir alle sitzen. Da nicht mal ich selbst glaube, dass so etwas in der Eidgenossenschaft der Egoisten möglich sei, würde ich die gesamte Region Basel mit dem nahen Deutschland und Elsass in eine Art Sonderwirtschaftszone integrieren. Unser politischer Lebensraum soll der gelebten Realität angepasst werden, nicht umgekehrt.